von Jörg Hilbert, Jan Liebold
Mitte
November berichtete Panorama 3 von einer großflächigen Belastung des
Grundwassers rund um das Tanklager Bremen-Farge. Das Grundwasser aus den
Brunnen der umliegenden Siedlungen stinkt nach Benzin, Proben weisen nicht nur
Spuren des krebserregenden Stoffes Benzol auf, sondern auch von MTBE
(Methyltertiär-Butylether). Behördenvertreter verwiesen lange auf einen
möglichen Unfall aus Zeiten der Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg. Doch das
kann nicht stimmen: der Stoff MTBE wird erst seit Mitte der 1980er-Jahre als
Zusatz im bleifreien Benzin verwendet. In dieser Zeit war das Tanklager bereits
im Besitz der Bundeswehr. Kleinlaut räumt die Bremer Umweltbehörde ein, vom
MTBE im Grundwasser gewusst und die Anwohner darüber nicht informiert zu haben.
Vergiftetes
Wasser: Geheimniskrämerei der Stadt Bremen
Nach den Benzol-Funden hat der
Bremer Umweltsenator die Belastung um das Tanklager zur Chefsache erklärt. Nun
sind angrenzende Gebiete bedroht. Doch die Behörde geizt mit Informationen.
Bodenbelastung wird Chefsache - ohne
Konsequenzen
Der Bremer Umweltsenator Joachim Lohse (Bündnis 90/ die Grünen)
macht nach der Ausstrahlung des Panorama 3 - Beitrags den Vorgang zur
Chefsache. Auch die Bremer Staatsanwaltschaft prüft, ob sie ein Ermittlungsverfahren
einleitet. Jetzt sind die Reporter erneut nach Bremen gefahren.
Von der Behörde hat sich bisher niemand bei von uns befragten
Anwohnern blicken lassen. Stattdessen ergeben neue Proben von Panorama 3 noch
weit höhere MTBE-Werte als vor sechs Wochen. Auf Nachfragen, warum es denn so
schwierig sei, den Verursacher der Verunreinigungen zu finden, beteuert der
Senator, dass ihm die Gesundheit der Anwohner, die Belastung der Umwelt und die
Sanierung des Schadens besonders wichtig seien. Der Zeitpunkt, an dem die
Verschmutzung eingetreten sei, sei dafür nicht wichtig.
Staatsanwaltliche Ermittungen gegen die Bundeswehr
Verantwortlich
für die Verschmutzung des Grundwassers ist offenbar die Bundeswehr, die von
bleifreiem Benzin im Tanklager angeblich nichts weiß. Erneute Anfragen von
Panorama 3 hat die Bundeswehr mit Hinweis auf die staatsanwaltlichen
Ermittlungen nicht mehr beantwortet.
Die Bundeswehr will das Tanklager im Mai 2013 aufgeben und an
einen privaten Investor verkaufen. Der soll das Lager dann weiter
betreiben. Der umweltpolitische Sprecher der Linken in der Bremer Bürgerschaft,
Klaus-Rainer Rupp, hegt den Verdacht, unbequeme Fragen nach der Verantwortung
der Bundeswehr und der Sicherheit des Tanklagers könnten dem geplanten
Verkauf des Lagers im Wege stehen.
Bremen will Tanklager-Genehmigung
weiterhin gelten lassen
Unbequeme Fragen zum Verkauf stellt jetzt auch die
Nachbargemeinde Schwanewede. Ein Drittel des Tanklagers liegt nämlich auf dem
Gebiet der niedersächsischen Kommune. Die will dem Verkauf und Weiterbetrieb
nicht bedingungslos zustimmen. Sie will nach dem Abzug der Bundeswehr
stattdessen ihr Planungsrecht wahrnehmen und erst dann zustimmen, wenn die
Ursachen für die Grundwasserbelastung aufgeklärt und alle Risiken eines
Weiterbetriebs des Tanklagers einschätzbar sind. Bremen dagegen will die alte
Betriebsgenehmigung für das Tanklager einfach weiterhin gelten lassen.
Dieses Thema im Programm:
Panorama
3 | 11.12.2012 | 21:15 Uhr
Stand:
13.11.2012 12:00 Uhr
Umweltskandal: Vertuschung in Bremen?
von Jörg Hilbert & Jan Liebold
Die Panorama 3 Reporter konnten es kaum glauben: In den Bremer
Ortsteilen Farge und Rönnebeck riecht das Grundwasser aus Gartenbrunnen nach
Benzin - und das schon seit Jahren! Das Wasser, das die Anwohner nutzen,
um ihr Gemüse zu gießen und den Rasen zu sprengen. "Ja, manchmal riecht es
hier wie an einer Tankstelle", sagt Anwohner Leo Preuß.
Umweltskandal:
Vertuschung in Bremen?
In einigen Bremer Ortsteilen
stinkt das Grundwasser nach Benzin - und das seit Jahren. Die Stadt und die
Bundeswehr tragen offenbar eine größere Verantwortung dafür als bisher bekannt.
Kinder bekamen Hautausschlag
Belastungen stammen angeblich aus dem
Zweiten Weltkrieg
Auf Nachfrage nennt die Behörde das Gelände des heutigen
Bundeswehr-Tanklagers Farge als Quelle der Belastungen. Dort sei es im Zweiten
Weltkrieg und in der Nachkriegszeit zu erheblichen Bodenverunreinigungen
gekommen.
Doch
offenbar wurde das Grundwasser erst viel später kontaminiert. Panorama 3 nahm
Proben des Wassers und ließ diese im Labor untersuchen. Ergebnis: Neben
krebserregendem Benzol ist offenbar auch ein weiterer problematischer Stoff in
die Erde gelangt: MTBE (Methyltertiär-Butylether), ein Zusatz für bleifreie
Vergaserkraftstoffe. "Das heißt, diese Verunreinigung muss irgendwann seit
den 1980er Jahren stattgefunden haben und nicht vorher. MTBE als Bestandteil
von Benzin wird erst seit den 1980er Jahren eingesetzt", bestätigt der Marburger
Altlastengutachter Dr. Rainer Haas.
Der Fund deutet auf einen Unfall oder ein Leck auf dem Gelände
des Tanklagers in der jüngeren Vergangenheit hin. Davon jedoch erfuhr die
Öffentlichkeit nichts - obwohl die MTBE-Belastung der Umweltbehörde seit 2011
bekannt ist. Das geht aus einem Verwaltungsbericht hervor, der Panorama 3
vorliegt. Einen Grund, die Bevölkerung über die Kontamination mit MTBE zu
informieren, sah die Behörde damals offenbar nicht.
Linke und CDU verlangen Aufklärung
Die Partei "Die Linke" hat unterdessen einen Antrag zu
dem Thema in die Bremische Bürgerschaft eingebracht, der in der kommenden Woche
im Stadtparlament diskutiert wird. Die CDU hat ihrerseits vom Bremer
Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) Aufklärung über das Ausmaß der Verseuchung
gefordert und beantragt deshalb eine Sondersitzung der Umweltdeputation. Die
Ursachen und Folgen der Verseuchung müssten umfassend geklärt werden.
Bundeswehr: Ursache unklar
Die MTBE-Belastung lässt darauf schließen, dass die Bundeswehr
als Besitzer des Tanklagers doch eine Mitverantwortung für den Umweltskandal
tragen könnte. Auf erneute Nachfrage teilte die Bundeswehr mit, die Ursache der
MTBE-Belastung sei "noch nicht geklärt". Die kontaminierte Zone
reicht vom Tanklager mittlerweile etwa 800 Meter weit in das angrenzende
Wohngebiet. Anwohner aus Frage und Rönnebeck wollen nun Strafanzeige wegen einer
schweren Umweltstraftat stellen.
Dieses Thema im Programm:
Panorama
3 | 13.11.2012 | 21:15 Uhr
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama_3/wasservergiftung101.html